Die zu DDR-Zeiten als "Zentraler Platz" bezeichnete Baugruppe umfasst die Gebäude, die für den Rat des Bezirkes und die SED-Bezirksleitung errichtet wurden, mit dem vorgelagerten Karl-Marx-Monument, ehemals das Haus der Industrieverwaltungen und die Hauptpost sowie die Stadthalle mit Hotelhochhaus und Parkanlage. Der monumentale Kopf von Marx, eine 7 m hohe Bronzeplastik des Bildhauers Lew Kerbel, dominiert die Platzanlage und entspricht dem Anspruch, dem Stadtbild ein ideologisches Postulat einzuschreiben. Der Verzicht auf einen Körper und damit die Reduktion auf die Idee, verleiht der überdimensionalen Skulptur etwas Sakrales. Dahinter befindet sich ein Wandrelief mit dem Schriftzug "Proletarier aller Länder vereinigt euch!" aus dem Kommunistischen Manifest in in vier Sprachen (deutsch, englisch, französisch und russisch), das von einem Künstlerkollektiv unter Mitarbeit des Grafikers Helmut Humann gestaltet wurde. Die Chemnitzer entzogen sich damals diesem Vereinnahmungsversuch durch ihre ironischen Bezeichnungen des Marx-Denkmals ("Nischel") und der Bauten ("Parteifalte", "Schnarchsilo"). Das Ensemble entstand nach einem langwierigen, sich über mehrere Jahrzehnte ausdehnenden Planungsprozess, wobei sich in dieser Zeit das theoretische Fundament des sozialistischen Städtebaus mehrfach änderte. Letztendlich scheiterte das Bauvorhaben der Schaffung einer belebten urbanen Mitte. Aktuelle städtebauliche Pläne sehen vor, das Platzgefüge – heute ein durchaus akzeptierter Ort – behutsam aufzubrechen und an das Umfeld anzubinden.
Chemnitz ist Kulturhauptstadt Europas 2025.
im Stadtzentrum
Bürohaus, Hotel, Veranstaltungshalle
bauzeitliche Außenansichten
Ein Bombenangriff am Ende des Zweiten Weltkrieges im März 1945 zerstörte 6 km² des Stadtzentrums. Chemnitz wurde 1953 in Karl-Marx-Stadt umbenannt und sollte als sozialistische Modellstadt wiederaufgebaut werden. Architektur hatte einen staatlichen Auftrag zu erfüllen, indem Stadtplanung den gesellschaftlichen Entwicklungsprozess beeinflussen und die gebaute Wirklichkeit zur Bewusstseinsbildung der Bevölkerung beitragen sollte. In der Frühphase der DDR ging es um eine Zukunftsschau, um die Schaffung einer idyllischen Kulisse, die das Leben im Kommunismus antizipiert und Optimismus vermittelt. Das galt auch für die ersten Nachkriegsbauten in Karl-Marx-Stadt. In den 1960er Jahren spielte neben der politischen Aussage und der pädagogischen Absicht ein sozialer Ansatz zunehmend eine Rolle: Der Mensch wurde nicht mehr nur als Statist der städtebaulichen Bühne angesehen, sondern als Subjekt erkannt. Die Zentrumsplanung berücksichtigte nun Kommunikations- und Erlebnismöglichkeiten. Großzügigkeit und Weiträumigkeit als architektonische Leitgedanken symbolisierten Fortschritt, was sich auch auf den Umgang mit Altbauten auswirkte. Letztendlich setze sich eine auf ökonomische Erfordernisse ausgerichtete Denkweise durch, die dazu führte, dass nur die breiten Magistralen und einige Solitärbauten, die einem eigentlich überholten, ideologisch ausgerichteten Bildprogramm entsprachen, errichtet wurden. Stadthalle mit Park und die Straße der Nationen mit Wohnungs- und Geschäftsbauten konnten die fehlende Alltagstauglichkeit des Quartiers nicht verhindern.
Nachkriegsarchitektur
Industrielle Plattenbauweise
Sozialistische Baukunst
Die Planung durchlief mehrere Etappen (erste durch die Stadtverwaltung begleitete Aufbauphase, zentral gelenkter Wiederaufplan von 1956, Grundkonzeption des Stadtzentrums von Georg Funk 1958, Siegerentwurf des Wettbewerbs zur Gestaltung des Zentralen Platzes vom Kollektiv Peter Andrä von 1961 und Planungsphasen in den 1970er Jahren, einschließlich der Konzeption des Architekturkomplexes Stadthalle/Hotel durch den Chefarchitekten Rudolf Weißer).
20. Jahrhundert,
21. Jahrhundert
Gebäudeensemble, das nicht zuletzt aufgrund seiner Entstehungsgeschichte vielfach besondere Aufmerksamkeit sowohl in der öffentlichen Wahrnehmung als auch im wissenschaftlichen Diskurs fand