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„Beträchtliche Anziehungskraft” – DOK Leipzig-Festivaldirektorin Leena Pasanen im Interview

 

Vom 26. Oktober bis 01. November 2015 findet unter dem diesjährigen Motto „Borders And Identities” das Internationale Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm statt. Die 58. Auflage der renommierten Veranstaltung ist die erste unter der Ägide der neuen Intendantin Leena Pasanen.

Was hat Sie von dem Posten als Festivalchefin überzeugt?
Ich bin am Ende meinem Bauchgefühl gefolgt. Aber es gab verschiedene Punkte, die zu dieser Entscheidung geführt haben. Der Hauptgrund war das Festival an sich, mit dem ich schon seit gut zehn Jahren vertraut war. Ich kam erstmals hierher, als Claas Danielsen 2004 zum Leiter ernannt wurde, den ich durch seinen vorherigen Job bei der Documentary Campus Masterschool kannte. Sowohl die Qualität des Festivals mit seinem kompetent kuratierten Programm als auch die Atmosphäre gefielen mir sehr. In der Folge bin ich regelmäßig nach Leipzig gereist, wodurch ich die Stadt immer besser kennenlernte, die ich für einen sehr coolen Ort halte. Außerdem bedeutet der Job eine neue Herausforderung für mich. Ich mag es, Tätigkeiten auszuüben, wo ich mein Wissen und meine Kontakte einbringen, aber selbst auch noch dazulernen kann. Ich beschäftige mich beruflich schon lange mit Dokumentarfilmen, doch DOK Leipzig bringt eine andere Herangehensweise an dieses Arbeitsfeld mit sich.

Sowohl im nationalen als auch im internationalen Wettbewerb haben Sie die Trennung von Dokumentar- und Animationsfilmen aufgehoben. Was ist der Hintergrund?
DOK Leipzig war immer sehr aufgeschlossen für beide Formate. Beispielsweise wurden hier auch schon animierte Dokumentarfilme gezeigt, bevor jemand wirklich an dieses Format geglaubt hat und es schließlich zum Trend geworden ist. Auch künftig müssen wir mit dem Festival offen sein für neue Arten, Geschichten zu erzählen. Durch die Tatsache, dass die Animationsfilme jetzt mit Dokumentarfilmen in den Wettbewerben konkurrieren, wird ihre Position gestärkt. Sie können sich so zudem ein neues Publikum erschließen.

Welche weiteren Änderungen schweben Ihnen vor?
Nachdem ich mir zunächst einen umfassenden Überblick verschafft habe, kann ich sehr glücklich sagen: Das Fundament von DOK Leipzig ist tadellos – egal, ob man das Festivalprogramm oder die Branchenangebote unter dem Dach von DOK Industry nimmt. Mein Vorgänger Claas Danielsen hat erstklassige Arbeit dabei geleistet, das Festival auf eine breitere Basis zu stellen. Der ganze Apparat ist viel größer als früher. Daher finde ich es wichtig, dass die interne Organisation optimiert wird. Wir wollen die Kommunikationswege neu strukturieren. Zu diesem Zweck arbeiten wir als Team sehr eng zusammen. Des Weiteren möchte ich mich darauf konzentrieren, DOK Leipzig eine noch größere internationale Anerkennung zu verschaffen. Unter den weltweiten Dokumentarfilmfestivals gehört es zwar bereits zur absoluten Spitze und befindet sich auf Augenhöhe mit CPH:DOX in Kopenhagen und dem IDFA in Amsterdam. Doch es muss unser Ziel sein, dass sich Filmemacher, wenn sie die Wahl zwischen diesen Festivals haben, für Leipzig entscheiden.

Wie wollen Sie das erreichen?
Ich habe für die Zukunft einige Ideen, will aber erst mal die diesjährige Ausgabe vorbeigehen lassen. Auf jeden Fall verfügen wir über eine beträchtliche Anziehungskraft. Wenn ein Filmemacher mit seinem Werk zu DOK Leipzig eingeladen wird, ist das ein Zeichen dafür, dass sein Film etwas Besonderes ist. Ein ganz wichtiger Faktor für die Attraktivität des Festivals ist darüber hinaus das Publikum. Es herrscht jedes Jahr eine riesige Begeisterung in der Stadt, alle Kinos sind voll. Auch unsere Preisgelder mit einer Gesamthöhe von knapp 80.000 Euro sind nicht von schlechten Eltern, obwohl es vergleichbare Veranstaltungen gibt, die mehr ausschütten.

Ist eine Erhöhung der Preisgelder durch zusätzliche Sponsoren denkbar?
Ja, aber noch lieber würde ich einen Fonds ins Leben rufen, um ambitionierte Dokumentarfilme voranzubringen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass öffentlich-rechtliche Fernsehsender als Finanzierungspartner immer mehr an Bedeutung verlieren. Ich weiß, dass das keine neue Idee bei DOK Leipzig ist, doch ich bin mir sicher, dass ein strategisch ausgerichteter Fonds den Unterschied ausmachen kann. Man müsste überlegen, ob er eher der Entwicklung oder der Produktion von Stoffen zugute kommen sollte. Auf jeden Fall wäre er für das Festival ein nächster zentraler Schritt. Wie schnell wir solch einen Fonds realisieren können, wird die Zeit zeigen. Aber wir arbeiten hart daran.

Leena Pasanen, Jahrgang 1965, studierte finnische Sprache und Literatur an der Universität Oulu. Im Anschluss arbeitete sie fast zehn Jahre als Journalistin, Redakteurin und Moderatorin, unter anderem beim öffentlich-rechtlichen Fernsehsender YLE TV 1 in Helsinki, wo sie von 1998 bis 2000 den Dokumentarfilmbereich verantwortete. Danach war sie bis 2005 als Programmdirektorin von YLE Teema, einem digitalen Spartenkanal für Kultur, Bildung und Wissenschaft, tätig, bevor sie nach Kopenhagen zum European Documentary Network wechselte. Zuletzt leitete Pasanen ab 2011 das Kulturinstitut Finnagora an der finnischen Botschaft in Budapest. Seit dem 1. Januar 2015 ist sie Nachfolgerin von Claas Danielsen beim Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm, der seine Ämter als Geschäftsführer und künstlerischer Leiter Ende 2014 niederlegte. Ihr Vertrag gilt vorerst für fünf Jahre.

Das Interview führte Alexander Kolbe, erschienen im MDM Infomagazin Trailer 3-2015 am 15.09.2015.

Foto: DOK Leipzig 2015/Martin Jehnichen

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