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„Rockabilly Requiem” - Regisseur Till Müller-Edenborn im Interview

Wie sind Sie auf die Idee zu „Rockabilly Requiem” gekommen?

Der Schlüsselmoment war ein stürmischer Regenguss, als ich vor einigen Jahren Außenaufnahmen für „Schloss Einstein” in Erfurt drehen wollte. Die Verzögerung, die er mit sich brachte, löste bei den jugendlichen Darstellern Unruhe, fast Wut aus. Durch diese Intensität am Set tauchten Erinnerungen aus meiner eigenen Jugend in meinem Kopf auf. Sie gaben den Ausschlag für das Drehbuch, das ich dann zusammen mit Jörg Bruhn geschrieben habe.

Wie viel Autobiographisches ist darin enthalten?

Im Protagonisten Sebastian, der ziemlich zurückhaltend ist und sehr viel emotionale Arbeit leisten muss, um sich seinen Eltern entgegenzustellen und seinen eigenen Weg zu gehen, steckt einiges von mir selbst. Ein paar der anderen Figuren gab es in meinem Leben tatsächlich – so auch Sebastians Gegenpol Hubertus. Da ich in den Achtzigern großgeworden bin, spielt der Film in dieser Zeit. Und ich stand damals wirklich auf Rockabilly. Anfang der Achtziger gab es ein Revival dieser Musik, das vor allem aus London herüberschwappte und mich sehr angesprochen hat, während andere lieber New Wave oder Punk hörten.

Haben Sie früher auch im Kirchenchor gesungen wie Sebastian?

Nein, das ist eine Erfindung im Dienste der Dramaturgie. Wir haben diesen Kniff gewählt, weil wir die beiden Figuren auch auf der musikalischen Ebene gegeneinander setzen wollten. Während Hubertus in einer Rock 'n' Roll-Band singt, ist Sebastian der Chorknabe, der versucht, sich mit klassischer Musik zu verwirklichen. Ich sehe „Rockabilly Requiem” aber in erster Linie als Generationendrama und Coming-of-Age-Geschichte an und nicht als Musikfilm.

Der Nostalgie-Faktor dürfte auch so eine große Rolle spielen.

Ja, schon allein wegen der Kostüme und der alten Autos, aber natürlich auch wegen der Musik. Allerdings wäre es schade, wenn auch der Gedanke an Rebellion nostalgische Gefühle auslösen würde. Ich hoffe, dass die Jugendlichen von heute mit dem Kampf und den Konflikten im Film emotional noch etwas anfangen können und sie nicht für kalten Kaffee halten.

Sie hatten für „Rockabilly Requiem” nur 23 Drehtage zur Verfügung. Haben Sie am Set von Ihren Regieerfahrungen bei „Schloss Einstein” und „Gute Zeiten, schlechte Zeiten” profitiert, wo schnelles, effektives Arbeiten unerlässlich ist?

Auf jeden Fall! Auf der anderen Seite musste ich hin und wieder aufpassen, dass ich nicht in eine Art Fernsehroutine abgleite. Gerade bei „GZSZ”, einer sehr professionell arbeitenden Produktion, steht man unter einem hohen Zeitdruck. Man ist immer gezwungen, rasch und aus dem Bauch heraus Entscheidungen zu treffen. Doch bei einem Kinofilm kann man so nicht die ganze Zeit arbeiten. Das war auch ein Antrieb, „Rockabilly Requiem” zu drehen. Während die Jugendlichen im Film sich die Frage stellen, was sie mit ihrem Leben anfangen wollen, habe ich mich irgendwann gefragt, was eigentlich aus mir und meinen Träumen geworden ist. Ich wollte immer Filme machen, dramatische Geschichten erzählen, in die auch persönliche Dinge einfließen können. Bei den Jobs für das Fernsehen war das nicht der Fall. Ich bin inzwischen deutlich über 40 und mit meinem Kinodebüt somit spät dran. Aber ich wollte mir diesen Traum unbedingt erfüllen.

Infokasten:

Der gebürtige Karlsruher Till Müller-Edenborn studierte Filmwissenschaften, Philosophie und Französisch in Paris und Köln. Neben diversen Kurzfilmen inszenierte er zahlreiche Folgen der TV-Serien „Gute Zeiten, schlechte Zeiten”  und „Schloss Einstein”. Mit dem Drama „Rockabilly Requiem” (AT), das im Westdeutschland des Jahres 1982 spielt, gibt er seinen Einstand als Spielfilmregisseur. Im Zentrum stehen die befreundeten Teenager Sebastian und Hubertus, die beide unter ihrem schwierigen Elternhaus leiden. Kraft ziehen sie aus der Musik und der gemeinsamen Liebe zur coolen Punkerin Debbie. Während der introvertierte Sebastian im Kirchenchor Händel und Bach singt, widmet sich der wildere Hubertus mit seiner Band Rebels einem kraftvollen Rockabilly-Sound. Als die populären Wild Black Jets eine Vorband für ihr letztes Deutschland-Konzert suchen, will Hubertus die Chance nutzen. Sebastian und ihm gelingt es, den Rebels eine Möglichkeit zum Vorspielen zu verschaffen. Doch wenig später kommt es zu einer Tragödie. Gedreht wurde „Rockabilly Requiem”, ein Projekt der Neue Mira Filmproduktion und des WDR, im September und Oktober 2013 in Sachsen-Anhalt und Bremen. In den jugendlichen Hauptrollen sind Sebastian Tiede (Sebastian), Ben Münchow (Hubertus) und Ruby O. Fee (Debbie) zu sehen. Margarita Broich und Alexander Hauff verkörpern die Eltern von Hubertus. Sebastians Eltern werden von Barbara Romaner und Martin Feifel gespielt. Gefördert wurde der Dreh von der MDM, nordmedia und dem DFFF. Die Kinoauswertung übernahm Farbfilm.

Das Interview führte Alexander Kolbe, erschienen im MDM Infomagazin Trailer 4-2013.
Foto: DOK Leipzig 2015/Martin Jehnichen

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